Wir warben um Vertrauen

Im Gespräch mit Maritta Böttcher. Sie hat vor 25 Jahren eine Kreisleitung der SED geleitet – und sich dann mit aller Kraft und erfolgreich für die Erneuerung der Partei eingesetzt

Maritta, du hast das Ende der SED sehr unmittelbar miterlebt, ein bisschen auch mit verantwortet: als 1. Sekretärin einer SED-Kreisleitung. Und du hast den Beginn einer neuen Partei mitgestaltet. Über diesen Bruch wollen wir reden, über deine Erlebnisse und Erfahrungen vor einem Vierteljahrhundert.
Wir sagen »Herbst ’89« und meinen die Monate bis zur Volkskammerwahl am 18. März 1990, die mit einem dramatischen Sieg der CDU und ihrer Partner ausging. Wie ordnest du die Monate bis zu diesem Wahltag in deiner Biografie ein? Politisch und beruflich war es meine intensivste, schnelllebigste und schwierigste Zeit überhaupt.

Bevor wir darauf näher zu sprechen kommen, solltest du kurz erläutern, welchen Platz 1. SED-Kreissekretäre in der DDR-Gesellschaft einnahmen. Wie wichtig waren sie? Was hattet ihr zu entscheiden?
So ein 1. Sekretär war die wichtigste Person in »seinem« Kreis, er war schlichtweg für alles verantwortlich. Ob ein Verkehrsunfall am Morgen, fehlende Schrippen am Mittag oder ein Waldbrand am Abend – alles hatte der 1. Sekretär zu erfahren und um alles sollte er sich kümmern, und zwar sofort. Dabei gab es genug gute Leute, die für die Lösung der einzelnen Aufgaben zuständig waren. Der 1. Sekretär war gleichzeitig Vorsitzender der Kreiseinsatzleitung. Die sollte den Kreis bei Sonderfällen wie Katastrophen leiten. In dem Gremium saßen neben mir die Kreis-Leiter der Volkspolizei, des Ministeriums für Staatssicherheit, des Wehrkreiskommandos und des Rates des Kreises. Außerdem war der 1. Sekretär Vorsitzender des Demokratischen Blocks der Nationalen Front mit den anderen Parteien (CDU, DBD, LDPD, NDPD). Da gab es regelmäßig Beratungen bis hin zu Personalfragen für Ämter und Rathäuser.

Wer entschied, dass du die Parteichefin des Kreises Jüterbog wirst?
Die Bezirksleitung Potsdam hatte das vorgeschlagen, und das Politbüro des Zentralkomitees hat das beschlossen – pro forma gewählt wurde ich von der Kreisdelegiertenkonferenz der SED: im September 1988, im Kultursaal der Vorzeige-LPG Oehna.

Mit wieviel Prozent der Stimmen?
Mit hundert Prozent, glaube ich.

Wie war dein Vorgänger?
Ich löste einen ab, der sehr lange in dieser Funktion gewesen war, 26 oder sogar 28 Jahre. Ich dagegen: relativ jung, 34, zwei kleine Kinder, der Mann beim Rat des Kreises. Das war schon ein gewaltiger Unterschied.

Haben Amtsdauer und Machtfülle zur Herausbildung von kleinen Königen geführt?
Das war schon so. Manche haben agiert, als seien sie in ihrem Kreis der Kaiser. Mein Vorgänger spielte seine Macht auf eine Art und Weise aus und stellte Dinge so durch, dass er am Ende absolut unbeliebt war; am Anfang soll es anders gewesen sein, da wurde er als »Volkstribun« gefeiert. Sicher war das auch eine Charakterfrage.
Eine erste Lehre aus der Wendezeit war für mich, dass es im Normalfall nicht gut ist, wenn jemand sehr viele Jahre auf ein und derselben Stelle sitzt. So was begünstigt Unterwürfigkeit und Unehrlichkeit. Es führte unter anderem dazu, dass viele Berichte über die Situation in den Betrieben und Gemeinden geschönt worden sind und sich die Partei was vorgemacht hat – am Ende hat sie selber dran geglaubt.

Wer hat euch Kreischefs was gesagt?
Die SED-Bezirksleitung, konkret ihr 1. Sekretär und seine Fachsekretäre, gab Hinweise und Weisungen. Wo aus den Kreisen nicht ausreichend Positives zu vermelden war, wurde der Zeigefinger erhoben. Mitunter wurde Druck aufgemacht, was ich nicht verstanden habe. Vieles war durch mich nur bedingt zu beeinflussen. Beispielsweise legte die Bezirksleitung fest, wann die Ernte zu beginnen hat – da konnte man nur den Kopf schütteln: Ich wusste von zu Hause, dass die Ernte beginnt, wenn das Getreide reif ist.

Wie viele SED-Mitglieder gab es im Kreis Jüterbog?
3.500.

Und wie viele Mitglieder hatten die vier anderen Parteien?
Etwa 150, insgesamt. Einige von ihnen hatten formal wichtige Ämter inne. Die NDPD stellte den Bürgermeister in Treuenbrietzen, die LDPD den in Jüterbog. Das war irgendwann so in der SED-Bezirksleitung festgelegt worden und wurde immer so gehandhabt. Bei jeder neuen Wahl war klar, dass die NDPD wieder den Bürgermeister in Treuenbrietzen und die LDPD den in Jüterbog stellen konnte. Und auch der Verantwortliche für Wohnungspolitik im Kreis kam stets von derselben Partei.

Was war für dich anfangs das Schwierigste?
Das Schlimmste war: Niemand hat mir in meiner Umgebung widersprochen, obwohl das – schon wegen meiner Unerfahrenheit – jeden Tag hätte passieren müssen. Viele waren eingeschüchtert, es gab keine wirkliche Kritik. Was der 1. Sekretär sagte, galt als Gesetz. Wie ein Indianer: Howgh, ich habe gesprochen.

Hatten sie Angst vor dir?
Sie hatten wohl die Sorge, ich könnte genauso eisern agieren wie mein Vorgänger. Das hat mir niemand gesagt, aber ich spürte das. Jede Offenheit fehlte, weil sie früher sofort zusammengefaltet worden waren. Dieser Druck, die Besten sein zu wollen und zu müssen, hat die Leute auch zu – ich sag’s mal krass – Lügnern werden lassen.
Ganz langsam konnte ich das in meiner Zeit etwas aufweichen, peu à peu.

Wie verlief für dich der Arbeitstag?
Er fing um acht an, vorher hatte ich die Kinder in Kindergarten und Schule gebracht und bin dann mit dem Fahrrad zur Kreisleitung gefahren. An der Wache wurde mir gemeldet: Genosse 1. Sekretär, keine besonderen Vorkommnisse! – Mit »Männchen«. Irgendwann hab ich gesagt, Anton, bleib sitzen.

»Genosse« – in männlicher Form?
Immer! Und im Gegenteil: Wenn irgendwo jemand sagte: »Ich begrüße die 1. Kreissekretärin …«, wurde er sofort korrigiert: »Das heißt: Genosse 1. Sekretär. Sekretärin ist was anderes, das ist die, die am Schreibtisch sitzt.« Ich erlebte das oft, und irgendwann hab ich meinen Widerspruch aufgegeben. Sehr häufig war ich unterwegs, um zu erfahren, was klappte und woran es haperte. Mir fiel auf, dass in Betrieben vor allem die Frauen offen über Probleme redeten. Ich habe zugehört und ging den Dingen auf den Grund, sie haben eine Antwort gekriegt. Das hat sich in Jüterbog rumgesprochen. Täglich habe ich 12 bis 14 Stunden gearbeitet, außerdem wollte ich für meine Kinder da sein. Es war eine harte Arbeit, wie im Hamster-Laufrad, und es blieb kaum Zeit, sich mit gesellschaftspolitischen Fragen zu befassen.

Dein erster Berufswunsch war bestimmt nicht, Parteipolitikerin zu werden …
Pionierleiterin wollte ich werden. Wir hatten einen tollen Pionierleiter, und in der Pioniergruppe habe ich sehr viel erlebt: Schnipseljagd, singen, Besuche von Betrieben und – bereits in der 4. Klasse – der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Das hat mich geprägt. Ja, Fahnenappelle gab es auch. Aber ansonsten lautete das Motto wirklich so, zumindest für uns: Fröhlich sein und singen. Ich wollte immer im Gruppenrat mitmachen. Das Soziale steckt in mir.

Wie hast du dir (später) deine Partei, in der du Mitglied wurdest, gewünscht?
In ihr wollte ich über die Probleme in der Gesellschaft und in der unmittelbaren Umgebung sprechen und Vorschläge entwickeln können. Ich hatte den festen Willen und Glauben, dass man das erreichen kann, wenn sich die verbünden, die, wie ich hoffte, so dachten wie ich. Meine Eltern waren in der SED. Mutter kam aus einer antifaschistischen Familie – der Großvater war im KZ. Das hat mich mit geprägt.

Was war für dich damals links?
Das haben wir anders genannt, aber gemeint: eine wirklich gerechte Gesellschaft aufzubauen. Das klingt wie eine Floskel, doch das ist tief bei mir verwurzelt. Ich möchte, dass es für alle gerecht zugeht. Das hat mich angetrieben, bestärkt sicherlich durch manche ältere Genossen.

Mit welchen Problemen wurdest du im Sommer ’89 konfrontiert?
Die Unzufriedenheit mit fast allem wuchs: schlechte Versorgung, Berichterstattung der Medien, fehlende Meinungsfreiheit und Reisemöglichkeiten. Die Probleme gab es schon fünf oder zehn Jahre vorher – nicht jedoch in dieser geballten Form, verstärkt durch die Bilder in Medien. Und als dann in der Wendezeit die jüngeren »Oberen« in der SED versuchten, sich wieder an die Spitze aller Bewegungen zu stellen, fühlten sich die Leute zusätzlich abgeschreckt.

Wie hast du die Bilder von Demonstrationen in anderen Städten und von Zügen mit DDR-Ausreisewilligen gesehen?
Es hat mich schockiert zu sehen, was die Menschen auf sich nahmen, um die DDR zu verlassen. Das hat mich sehr beschäftigt und mich geprägt. Dennoch war für mich klar: Wir müssen in diesem Land etwas ändern.

Die »Wende« in Jüterbog, wie sah sie aus?
Bei uns passierte alles ein bisschen später. Auch dadurch, dass ich im Amt neu war und logischerweise etwas anders Politik machte, gab es mehr den Wunsch nach Dialog. Aber es kam selbstverständlich auch bei uns zu Kundgebungen. Vor einer SED-Kreisdelegiertenkonferenz in Jüterbog ging es hart zur Sache: Aufgebrachte Protestierende hatten sich mit symbolischen Galgen und Köpfen aufgestellt. Unser Pfarrer mahnte wiederholt zu Gewaltlosigkeit. Die Delegierten mussten durch ein Spalier der Menge und haben sich dann von innen verbarrikadiert. Für einige von uns war das sehr hart. Die größte Kundgebung fand am 5. November auf dem Sportplatz statt. Niemand hatte damit gerechnet, dass so viele Menschen kommen würden: 6.500! Wir haben uns als Partei dem Dialog gestellt, Moderator war unser Kreisschulrat, eine sehr akzeptierte Persönlichkeit, als »Bühne« diente ein privater LKW, vollgehängt mit Transparenten »Freie Wahlen« und »Reisefreiheit«. Die Kundgebung war ein Ventil für viele, die – wie wir feststellen mussten – auch in unserem Kreis ihren Unmut loswerden wollten. Alles verlief friedlich, selbst wenn die Widerstandskraft gegenüber allem, was bis dahin gelaufen war, gegenüber SED, Stasi, Kampfgruppen …, groß war.

Welche konkreten Forderungen wurden gestellt?
Im Gegensatz zu den großen Städten kamen bei uns eher alltägliche Fragen: Warum hat der und der eine größere Wohnung? Warum hat der ein Telefon und ich nicht? Warum kann der Handwerker einen Volvo fahren und ich warte 14 Jahre auf einen Trabi? Leider ging es oft ins Persönliche über.
Wichtige Gespräche für den Kreis fanden am Runden Tisch statt.

Worum ging es dabei?
Darum, den Zusammenbruch der Infrastruktur zu verhindern. Darüber berieten Vertreter der Parteien und Bewegungen, auch der neuen, sehr angestrengt. Insofern übernahm der Runde Tisch Aufgaben, die vorher allein die SED und der Rat des Kreises innehatten. Hintergrund war, dass viele in der Urlaubszeit zum Beispiel über Ungarn in den Westen gegangen waren. Nachdem eines Morgens im Krankenhaus Treuenbrietzen nicht mehr operiert werden konnte, weil kein Narkosearzt mehr da war, hat dies viele motiviert, bewusst zu sagen: Wir bleiben hier! Die Situation war sehr angespannt.

Es gab unzählige Austritte aus der SED, und du warst im Kreis deren Vorsitzende …
Austritte gab es bereits vor dem 7. Oktober, dem Jahrestag der DDR. Aber danach wurde es massiv. Jeden Morgen bekam ich an der Wache Waschkörbe voll mit zurückgegebenen Parteidokumenten. Und ich habe etwa 200 Gespräche geführt mit denjenigen, die ihr Dokument nicht einfach hinschmeißen wollten, sondern mir das erklären wollten. Ein Schuldirektor sagte mir weinend, er müsse sich jetzt »neutralisieren« … Viele kamen, auch Polizisten, auch Arbeiterinnen aus einem Lederbekleidungsbetrieb, junge Frauen, ältere Männer, Genossinnen und Genossen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hatten und danach eine bessere Gesellschaft aufbauen wollten … Sie saßen vor mir und sagten, es geht so nicht weiter. Das war für mich eine der schlimmsten Phasen. Diese Gespräche haben mir jedoch auch geholfen, meinen Weg weiter zu gehen: aufrecht und an ein gutes Land glaubend. Das war für mich der Punkt zu sagen, ich engagiere mich in der Partei, aber ohne ein Weiter so.

»In einem schwierigen und selbstkritischen Prozess«, heißt es im Parteiprogramm der LINKEN, »ging aus der ehemaligen SED die Partei des Demokratischen Sozialismus hervor.« – Wie hast du das erlebt?
Ich war Delegierte des Außerordentlichen Parteitages. Anschließend wollten einige Mitstreiter und ich im Bezirk Potsdam eine »Linke Vernunft« – nicht als Partei, sondern als Art Initiative – gründen. Das ging durch die Medien, und viele sprachen mich daraufhin an, auch Leute, die aus der SED ausgetreten waren. Vor allem jüngere Genossinnen und Genossen sagten sich, wir müssen das Heft in die Hand nehmen, die sozialistische Idee darf nicht sterben. So gründeten wir den Kreisverband Jüterbog. Wir brauchten viele Verbündete, die mit vorangingen in der Erneuerung der Partei. Das konnte niemand allein machen. Deshalb waren Diskussionen, in der jeder all seine Gedanken und Vorstellungen äußern konnte und musste, selbstverständlich. Jeder Tag in dieser Zeit brachte völlig Neues. Mitgliederversammlungen und Kreisdelegiertenkonferenzen hatten mit dem, was es vorher gab, wirklich nichts mehr zu tun. Es war auch kein Apparat mehr da; wir mussten die Einladungen und Protokolle selber schreiben. Und wie eine Versammlung enden würde, wusste vorher auch keiner.

Du wurdest wieder als Vorsitzende gewählt?
Ja, einstimmig.

Wie reagierten die Jüterboger auf eure Bemühungen, die Partei tatsächlich zu erneuern?
Es gab viele Anfeindungen, klar. Aber zunehmend wurden wir akzeptiert, weil wir zeigten, dass es sich lohnt, für Ideale zu kämpfen – und dabei die Gründe für das bisherige Scheitern zu analysieren. Wir wurden wahrgenommen als Leute, die nicht einfach alles über Bord werfen und keine Wendehälse sind. Das war ein enormer Antrieb für uns. Wir warben um Vertrauen – nicht durch trockene Veranstaltungen. So entstanden Formen wie der »Dialog« und unser Zuckertütenfest, beides wurde angenommen und gibt es bis heute.

Wie war das auf dem Außerordentlichen Parteitag (im Dezember 1989), den die Basis nachdrücklich gefordert hatte?
Für mich war ein Parteitag etwas völlig Neues und Fremdes. Was mir als Erstes auffiel: Plötzlich machten Professoren der Parteihochschule Einlassdienst und Leute wie Gysi und Modrow, die wir aus dem Fernsehen kannten, benahmen sich vorn im Saal völlig normal. Es ging um die Existenz der Partei. Ich bin mit dem festen Ziel nach Berlin gefahren, dass es mit der Partei weitergeht – gleich unter welchem Namen –, dass wir uns als Partei ehrlich machen und dass alles, was irgendwie relevant war und in jenen Tagen über die Medien bekannt wurde, auf den Tisch kommt. Der Höhepunkt für mich war das Referat, das maßgeblich von Kurt Libera mit ausgearbeitet und von Michael Schumann gehalten wurde, zur Absage an den Stalinismus. Das Referat hat mich ungeheuer beeindruckt, weil es so kompakt, offen und selbstkritisch alles, was uns beschäftigte, ansprach.
Mit dem Begriff Stalinismus konnte ich anfangs nicht viel anfangen, weil er für mich eine andere Bedeutung hatte – Stalin mit dem zu vergleichen, was in der DDR passierte, fiel mir ungeheuer schwer. Dann habe ich verstanden, dass es um Verfahrensweisen und Methoden der Führung ging. Auf dem Außerordentlichen Parteitag haben wir klar gesagt, wovon wir uns als Partei in unserer Politik definitiv verabschieden und wohin wir wollen.

Was vor allem würdest du als Erkenntnisse und Lehren aus der SED-Zeit ziehen?
Dass man jede und jeden als mündige Bürgerinnen und Bürger sehen muss – gerade wenn man zu wissen glaubt, dass er oder sie anderer Meinung sind. Das hat mich vor allem in der Anfangsphase sehr beschäftigt. Ich merkte, wie viele plötzlich so politisch diskutierten, denen ich das nicht zugetraut hatte. Ich musste erkennen, dass sie sich zurückgezogen hatten, weil ihre Meinung vorher nicht ernst genommen worden war. Wirklich zuzuhören und nicht Dinge erklären zu wollen, die nicht zu erklären sind, weil sie falsch sind, das ist eine der Hauptlehren für mich. Jemanden total abzulehnen, nur weil er eine andere Meinung hat, stört mich auch heute in Bezug auf Strömungen oder Einzelne. Niemand darf den Anderen das Recht absprechen, Dinge anders zu sehen.

Gab es bei dir nicht den Gedanken, alles hinzuwerfen oder dich zumindest parteipolitisch zurückzuziehen, sozusagen als schweigendes Mitglied?
So richtig nie. Ich war immer, auch im Herbst ’89, der Meinung, dass das nicht das Ende der Geschichte ist. Vieles an der Euphorie auf dem Weg zur Wiedervereinigung habe ich zunächst nicht verstanden, manche Befürchtungen sind eingetroffen. Trotzdem finde ich es richtig und gut, dass es am Ende so gekommen ist.
Da hat mir der Begriff demokratischer Sozialismus nicht nur gefallen. Er drückt für mich aus, was ich selber wollte, wofür es sich lohnt zu kämpfen.

Maritta Böttcher – 60 Jahre, geboren in Karl-Marx-Stadt. Besuch einer Pädagogischen Fachschule, von 1974 bis 1985 als Lehrerin und im Jugendverband tätig. Studium mit Abschluss als Diplomgesellschaftswissenschaftlerin. 1988/89: 1. Kreissekretärin der SED Jüterbog. Für die PDS Bundestagsabgeordnete (1994-2002). Maritta Böttcher arbeitet in der Bundesgeschäftsstelle der LINKEN, insbesondere für die Bundesschiedskommission und die BAG Kommunalpolitik. Und sie ist weiterhin in zahlreichen ehrenamtlichen Funktionen im Kreis Teltow-Fläming (Brandenburg) aktiv.

veröffentlicht im DISPUT, Oktober 2014