Wir erklärten uns für zuständig

Lothar Bisky über die Agonie in der DDR der Achtzigerjahre, über die Chance für den Neuanfang 1989/90 und die neue Erdung der Partei

Du bist Ende 1989, wie du im Buch »So viele Träume« geschrieben hast, »etwas überraschend in die Politik« geraten und meinst dies wohl vor allem in Form einer Funktion. Was ging diesem Schritt voraus?
Mir ist es in den Achtzigerjahren so gegangen wie vielen SED-Mitgliedern: Man wurde zunehmend skeptisch. Es waren Jahre der Agonie in der DDR. Und dann kamen Gorbatschow und Glasnost. Das haben wir in der Filmhochschule aufgenommen und praktiziert, die Studenten haben auch problematische Themen aufgegriffen und gute Filme gemacht.Im Grunde genommen lag das Land wie in einem Winterschlaf. 1989 wurde es immer schwieriger, die Studenten wurden unruhig. Von ihnen gab es bei den Kommunalwahlen am 7. Mai wohl überdurchschnittlich viele Gegenstimmen. Ich denke, es war ein ehrliches Resultat. Das wurde mir als Rektor verübelt, und ich bekam viel Kritik.

Wie war das konkret im Spätsommer ’89 an der Filmhochschule?
Die Studenten wollten in Ungarn und in Prag bei den Flüchtlingen drehen. Wir wollten wissen, warum sie die DDR verlassen. Das war doch eine existenzielle Frage für das Land. Wir hatten die Kameras und die Autos, die Studenten waren bereit, aber niemand gab uns eine Drehgenehmigung. Da ist mir die Hutschnur geplatzt und ich habe mich am 9. Oktober die Vertrauensfrage gestellt. Die Studenten haben sie positiv beantwortet. Das war für mich die Entscheidung, und ich habe gesagt: Wir müssen jetzt was riskieren: Wir erklären uns für zuständig. Wir nehmen die Kameras und drehen dort, wo wir es für richtig halten – unter zwei Bedingungen: Erstens wird versucht, objektiv zu bleiben, und zweitens kriegt niemand anderes die Bilder, damit war das Westfernsehen gemeint, aber auch die Stasi. Das wurde so verstanden und eingehalten. Die Studenten sind mit den Kameras los und haben gefilmt. Auf der Internationalen Dokumentar- und Kurzfilmwoche Ende November in Leipzig, wo Filme über die brodelnde Zeit gefragt waren, bekamen die Studenten für diese Filme völlig zu Recht die »Goldene Taube« ehrenhalber. Ich war vielleicht der einzige direkt gewählte Rektor. Vorher hatte ich schon zusammen mit den Studenten eine Erklärung an das Zentralkomitee der SED geschrieben, das war nicht so ganz ohne. Aber wir wollten Glasnost auch in der DDR, die Filme sollten von der Realität erzählen, die Studenten sollten sich nicht schämen, an dieser Hochschule zu studieren. Man kann doch einem Studenten nicht verbieten, dort zu filmen, wo was los ist. Dazu gehörte die Demonstration am 4. November in Berlin für die Verwirklichung der Verfassung. Es war die größte Demonstration in der DDR. Die Künstler hatten mich gebeten, dort zu reden und die Leute aufzufordern, sich der Wahl zu stellen. Das konnte ja nur einer tun, der es selber gemacht hatte. Ich habe dann auf dem Alex alle Amtsinhaber in der DDR aufgefordert, sich demokratisch legitimieren zu lassen. Das war mein Weg in die Politik.

Du warst seit 1963 in der SED…
… freiwillig.

Warum bist du überhaupt Parteimitglied geworden?
Ich wollte Mitglied in einer sozialistischen Partei sein. Meine Vorstellung war, in der Partei könnte man etwas verändern, und das war bedingt auch möglich. Außerdem hatte ich nicht vergessen, dass ich studieren konnte, obwohl ich aus ganz armen Verhältnissen und gar nicht aus der DDR kam. Die DDR war immer ein Land, in dem die Bildung der Kinder nicht vom Geldbeutel der Eltern abhing. Das habe ich nicht vergessen, das strebe ich auch heute noch an. Eigentlich traurig dieses »mittelalterliche« Deutschland, wo der soziale Stand der Eltern über das Bildungsschicksal der Kinder entscheidet. Das soll so nicht bleiben. Man darf alles nicht einseitig sehen: Damals gab es den Vietnam-Krieg. Damals gab es Kuba, das von den USA verhängte Embargo und den Versuch, militärisch über die Schweinebucht einzufallen. Damals gab es die nationalen Befreiungsbewegungen, damals gab es den Kampf gegen die Apartheid, damals gab es Chile mit dem demokratisch gewählten, sozialistischen Präsidenten Allende, der sofort umgebracht wurde und wo Strauß hinfuhr … In diesen Fragen stand die DDR auf der richtigen Seite, fand ich damals und finde ich heute. Sie war gegen den Vietnam-Krieg, sie war für die nationalen Befreiungsbewegungen, Allende war für uns ein Traum, Kuba war für uns eine Hoffnung. Die Verwerfungen in der DDR habe ich leider etwas zu spät mitgekriegt, aber ich habe sie mitgekriegt. Die Studenten haben mir geholfen, manches in der Realität der DDR neu zu entdecken. Sie hatten den Mut, neue Fragen zu stellen.

Wie siehst du heute deinen Platz in der Partei damals, vor 1989?
Ich war zwar ein kritischer Genosse, aber einer, der die Parteipolitik mitgetragen hat. Ich habe, wie viele andere auch, gesagt: Heute muss das und das noch so sein, weil die Bedingungen im Klassenkampf schlecht sind. So haben sich viele rausgeredet, so habe ich mich rausgeredet. Und plötzlich stand ich in der Verantwortung bei den Studenten. Ein Rektor konnte nicht ausweichen. Ich habe keinen Film verboten oder an einem herum geschnibbelt, und ich habe keinen Studenten aus politischen Gründen exmatrikuliert. Es gab ein Gesetz, wonach eine Exmatrikulation nur mit Unterschrift des Rektors möglich ist. Ich habe so was einfach nicht unterschrieben. Deshalb habe ich auch ein anderes DDR-Bild. Es gab Rektoren, die haben scharenweise Studenten aus politischen Gründen exmatrikuliert und die sagen heute, sie seien dazu gezwungen gewesen. Das ist eine Lüge; man hätte als Rektor abgelöst werden können – na und? Ich meine, das war nicht einfach, weil man Ärger hatte. Aber es war nicht existenziell. Mein Datschennachbar war Tankwart. Der hat gemeint, du blöder Hund, komm doch zu mir, du musst nichts befürchten, das bisschen, was du als Rektor verdienst, kriegst du bei mir allemal und dazu noch West-Trinkgeld. Er hatte recht.

Warum scheiterte die DDR, warum brach sie zusammen?
Da waren zum einen die ökonomischen Gründe: Man hat das Wertgesetz generell nicht beachtet. Ich entsinne mich, wie die Leute vor dem 10. Parteitag gesagt haben, wir müssen etwas mehr Miete nehmen … Wenn man das Brötchen weiterhin für fünf Pfennig verkauft und das Brot fast verschenkt, werden die Schweine damit gefüttert. Das war ökonomisch Verschwendung. Das Zweite: Die DDR war im Warschauer Pakt und hat dadurch die Außenpolitik und die Rüstung mittragen müssen. Für ein ärmeres Land war das nicht einfach. Das Dritte: Die DDR hatte sich eingemauert und keine Türen in der Mauer gelassen. Das war, wie wir heute wissen – damals habe ich das zeitweise anders gesehen – sozusagen auch ein Sargnagel, weil die Leute sich eingesperrt fühlten. Und es gibt ein paar andere Sachen: Die Demokratie war nicht so entwickelt, als dass man sie hätte praktizieren können. Eine der größten Sünden war, dass man junge Leute relativ rasch in Schubladen einsortiert und sie auch von Hochschulen geschmissen hat, wenn man den Eindruck hatte, sie seien keine Sozialisten. Das war natürlich absurd, denn junge Leute sind kritisch, und meine Erfahrung ist: Die ganz kritischen »Hunde«, die zu meiner Rektorenzeit als Dissidenten bezeichnet wurden, waren vernünftige Leute, die nichts gegen den Sozialismus hatten, die nichts gegen die DDR hatten, die nur ein besseres Land, nur eine radikale Demokratisierung der DDR wollten – und das war ein berechtigtes Anliegen. Die DDR war sehr widersprüchlich. Sie war auch ein Land der Bildung. Bildung war ein hoher Wert im Bewusstsein der Bevölkerung. Bildung war die soziale Differenzierung, nicht das Geld. Und für Kultur wurde sehr viel getan: Das theater- und orchesterreichste Land Europas war diese arme, marode, kleine DDR. Das wird heute häufig vergessen.

Und damals offenkundig auch, wie der Fortgang der Geschichte zeigt.
Über Nacht ist die Macht der SED implodiert – ich nenne das Implosion, meinetwegen auch friedliche Revolution, über das Wort Revolution kann man sich streiten. Über Nacht war die Autorität der SED verschwunden. Das war für viele ein Verlust, für viele andere aber auch eine Chance zum Neuanfang. Wir mussten uns damals mit der Frage beschäftigen, was wir mit dieser Partei machen. Es war die Chance für die Neukonstituierung einer sozialistischen Partei. Ich war in den Arbeitsausschuss zur Vorbereitung des Außerordentlichen Parteitages gewählt worden. Plötzlich steckte ich mit drin, habe die Redaktionskommission geleitet. Dann sagte Gysi, du kommst von der Filmhochschule, du machst mal die Medienarbeit. Dazu gehörte die Entflechtung des Medienmonopols der SED, das waren 90 Prozent der Druckereien und Verlage. Das habe ich getan. So bin ich tiefer hineingeraten in die Politik. Aber richtiger Politiker bin ich erst, seit die (letzte) Volkskammer 1990 gewählt wurde.

Du schilderst das so, als sei das in jener Zeit das Selbstverständlichste der Welt gewesen. Damals legten innerhalb weniger Wochen Hunderttausende ihr Mitgliedsbuch hin. Warum bist du den gänzlich anderen Weg gegangen, den zur Übernahme von politischer Verantwortung? Aus Pflichtbewusstsein, anerzogener Parteidisziplin, Trotz?
Ich weiß nicht, was es war. Ich war aus sozialistischen Motiven in die SED eingetreten, ich war nicht eingetreten, um Karriere zu machen. Die Idee des Sozialismus hat mich beherrscht, ich war – und bin – überzeugt davon. Ich war ein leidenschaftlicher Marxist; ich habe immer auch andere Marxisten gelesen, der Eurokommunismus hat mich sehr interessiert. Nun schmissen plötzlich massenhaft Leute ihr Parteibuch hin. 2,3 Millionen Mitglieder gab es einmal, dann 350.000, später 200.000. Jetzt sind in der LINKEN vielleicht noch 40.000 von ihnen – und denen wird heute vorgehalten, dass sie in der SED waren. Niemand fragt nach all den anderen, danach, wo die geblieben sind. Dabei waren doch wohl mehr als 40.000 bewusst in dieser Partei und strebten bewusst eine sozialistische Gesellschaft an: sozial gerecht, gleich, solidarisch. Das waren die Werte.

Wie war die Situation: von den Studenten frisch gewählt und nun zum Sprung in die Politik aufgefordert?
Schwierig. Die Studenten hatten mir vertraut, eigentlich wollte ich nur ehrenamtlich politisch tätig sein. Doch im Februar 1990 stand ich plötzlich vor der Entscheidung: Ich war ins Präsidium der PDS gewählt worden und wollte die Partei und die DDR radikal erneuern und demokratisieren. Das hatte ich an der Hochschule gesagt und das war so akzeptiert worden. Hätte ich jetzt die Partei verlassen, hätten die Studenten gesagt: Guck, das ist auch so ein Wendehals. Das wollte ich ihnen nicht antun und mir nicht. Wäre ich aktives PDS-Mitglied und Rektor der Filmhochschule geblieben, wäre die Filmhochschule geschlossen worden. Es gab und gibt keinen PDS-Rektor… Die politische Klasse grenzt aus, die Bundesrepublik ist eine Ausgrenzergesellschaft. Also musste ich mich entscheiden: Rektor bleiben und aus der Partei austreten oder in der Partei bleiben und auf den Rektor verzichten? Da bin ich lieber glaubwürdig geblieben und habe die Hochschule verlassen. Das haben manche Studenten damals nicht verstanden, aber bis heute kann mir niemand sagen, wie ich diesen Widerspruch hätte anders lösen können.

Wie hast du den Sonderparteitag (am 8./9. und 16./17. Dezember 1989) in Erinnerung? Worum ging es?
Als Arbeitsausschuss zur Vorbereitung dieses Parteitages waren wir zusammengewürfelt und haben gesessen und gesessen. Wir versuchten, einen Beschluss vorzulegen, wie die programmatische Erneuerung erfolgen sollte, wie die innerparteiliche Demokratie gestaltet werden kann. Und man musste mit den hauptsächlichen Fehlern abrechnen. Michael Schumann und andere haben das Referat »Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System« vorbereitet. Es war die klare Absage an die repressive Seite des Sozialismus. Wir wollten – deshalb der Name PDS – einen demokratischen Sozialismus. Das war nicht einfach, weil nicht jeder davon überzeugt war. Wie sollte er es auch sein? Dadurch haben wir noch mal sehr viele Mitglieder verloren. Der Parteitag verlief ziemlich chaotisch, man war unentwegt im Einsatz. Ich leitete die Redaktionskommission mit sehr vielen Leuten. Wir sollten ein Dokument über die nächsten Aufgaben der Partei vorbereiten. Jeder Satz, den man aufschrieb, wurde hundertfach besprochen, gedreht und gewendet. Wir wollten ja demokratisch sein, also haben wir zugehört und immer wieder neu formuliert. Weit nach Mitternacht wurde ich aufgerufen und sollte das Referat halten. Ich stolperte mit dem Stoß Blätter nach vorn, las vor, verhaspelte mich wegen der vielen Korrekturen. Im Saal kam Unruhe auf und die Forderung, das noch mal zu machen. Und hilfsbereit wie die Genossen waren, haben sie aus jedem Bezirk jeweils weitere zwei Genossen in die Redaktionskommission delegiert. Damit waren wir dann absolut handlungsunfähig. Jeder brachte seine eigene Sicht und seine Probleme rein. Ich habe dann zwei, drei Sätze ein wenig verändert und den fast gleichen Text sehr laut und deutlich im Saal vorgelesen – die Leute waren begeistert und applaudierten nach beinahe jedem Satz.

Wäre die Auflösung der SED, wie von vielen gefordert, nicht der bessere, weil glaubwürdigere Weg gewesen?
Auf der ersten Tagung des hundertköpfigen Vorstandes haben nicht wenige Mitglieder – darunter sehr bekannte – die Auflösung der Partei gefordert. Ich nahm das ernst, aber ich war dagegen. Ich wollte nicht, dass wir uns davonstehlen und sagen, wir geben uns einen anderen Namen und sind völlig neu. Auch wenn mir klar war, dass es ein Problem ist, mit dieser Geschichte weiterzuleben. Wie schwer das wirklich wird, habe ich nicht geahnt. Aber auflösen kam für mich überhaupt nicht in Frage. Es hat sich übrigens gezeigt, dass neue linke Parteien, von früheren SED-Mitgliedern gebildet, nicht sehr weit gekommen sind. Die Nichtauflösung gab uns die Chance, uns als Partei radikal zu erneuern, uns mit den Fehlern der SED und mit unseren eigenen Fehlern auseinanderzusetzen. Das mussten wir machen, um glaubwürdig zu werden. Wir durften nicht mit Versteck spielen beginnen. Aus einer Partei, die Herkunft und Geschichte versteckt, kann nichts werden. Mittlerweile hat sich bestätigt, dass dieser Weg richtig war. Wir haben uns radikal erneuert.

Das wird, besonders hartnäckig und lautstark in Wahlkampfzeiten, von Kritikern in anderen Parteien ignoriert bzw. angezweifelt.
Im Osten, wo man uns kennt, haben es die Demagogen der CDU nicht geschafft, ihre Geschichtsverdrehungen an die Leute zu bringen. Dabei hatten einige teilweise schlimme Erfahrungen mit der SED gemacht, aber sie haben gewusst, dass es in der SED auch vernünftige Leute gegeben hat, die ehrlich an ihre Überzeugungen geglaubt haben. Es ist ja paradox, dass wir ausgerechnet im Osten besonders stark sind, obwohl wir unsere Herkunft nie geleugnet haben. Ich denke, dass die Leute gesehen haben, die gehen ehrlich mit ihrer Geschichte um. Das war ein Teil der Erneuerung. Ein zweiter Teil der Erneuerung war, dass wir uns kümmerten – nicht allein um die Partei, sondern um die Menschen. So wurden wir die Partei der Kümmerer. Das ist eine neue Erdung der Partei. Wir sind auf völlig neue Weise auf die Menschen zugegangen und im ständigen Dialog mit der Bevölkerung. Wir haben geholfen, auch ganz praktisch, bei den vielen Problemen bei der Umstellung vom Realsozialismus zum Realkapitalismus. Damit haben wir einen eigenen Politikstil als Partei der Kümmerer entwickelt. Und eines sei nicht vergessen: Weder die CDU hat sich mit der Geschichte der von ihr einverleibten Ost-CDU auseinandergesetzt noch die FDP mit der Geschichte von LDPD und NDPD. Für sie ist selbstverständlich, deren Mitglieder seien ausnahmslos Widerstandskämpfer gewesen, aber die, die in der PDS geblieben sind, wären alles unbelehrbare Kommunisten. Mit diesen Geschichtslügen werden wir heute immer noch konfrontiert.

Hat sich dein Blick auf 1989/90 im Lauf der Zeit geändert?
Im Großen und Ganzen nicht. Ich wundere mich heute noch, wie man das ausgehalten hat. In den ersten Jahren hatte ich es schwer, weil der Bruch schwierig war. In der DDR galt ja als höchste Form von Kritik das Ausbleiben von Applaus. Plötzlich schrien einem die Leute in der politischen Auseinandersetzung feindselige Sachen ins Gesicht. Den Umgang damit hatte man nicht gelernt. Anfangs ertrug ich das sehr schwer. Dann habe ich bewusst dahin gehend trainiert, mich von diesen Schreihälsen des Kalten Krieges nicht fertig machen zu lassen.
Entsetzt hat mich der Streit in den eigenen Reihen; das hat mich manchmal sehr beschäftigt und auch gequält.

Wie stellst du dir eine moderne sozialistische Partei DIE LINKE vor?
Mit unserem Ergebnis bei der Bundestagswahl haben wir eine Schallmauer durchbrochen. Wer in einem Wahljahr so erfolgreich ist, hat wirklich die Chance, eine überzeugende linke Alternative im Land zu entwickeln. Dass es links neben der SPD Platz gibt, wissen wir. Ich glaube, dass wir uns erfolgreich entwickeln können. Wir haben die Aufgabe, uns – bei aller Pluralität in der Partei – auf die uns einigenden Hauptfragen zu konzentrieren. Wenn wir das schaffen, hat DIE LINKE eine gute Zukunft. Aber wir müssen verstehen, uns auf diese vier, fünf oder sechs Hauptfragen zu konzentrieren und dafür überzeugend zu kämpfen, damit der Bevölkerung klar wird, die machen wirklich, was sie sagen. Dann hat DIE LINKE eine Chance. Sie hat keine Chance, wenn jeder dogmatisch meint, nur er habe recht, und wenn er darauf beharrt, dass er recht hat und dass die Hauptfrage der Politik ist, dass nur er recht hat. Damit gewinnt man keine Menschen. Wir wollen eine solidarische, friedliche und sozial gerechte Gesellschaft. Wir wollen eine Politik machen, die für Menschen hilfreich ist. Die Chance ist da. Und die Chance ist da, dass hier Ost und West auf Augenhöhe zusammenkommen. Das ist eine große Möglichkeit, die wir gewonnen haben.

veröffentlicht im DISPUT, Oktober 2009